Politische Partizipation von Frauen

Politische Partizipation von Frauen
Politische Partizipation von Frauen

Impulsvortrag gehalten im Rahmen des zweitägigen Workshops „In was für einer Gesellschaft wollen wir leben – wie wollen wir sie gestalten? Gesellschaftliche, politische und berufliche Partizipation von Frauen.“ am 5. und 6. März 2010 in Köln:

Ich bin gebeten worden, möglichst viele Fassetten von Politik – von der Vergangenheit bis zur heutigen Zeit – zur Sprache zu bringen und die politischen Chancen und Möglichkeiten der Frauen unterschiedlicher Herkunft zu beleuchten. In Anbetracht der zur Verfügung stehenden Zeit werde ich daher sehr stark zuspitzen, mit dem Ziel, Ihr Denken um neue Aspekten zu bereichern, und Sie herauszufordern, einigen Dingen, die Ihnen vielleicht allzu ungewohnt vorkommen sollten, selbst einmal nachzugehen. Dazu habe ich Ihnen den Vortrag inklusive Quellenangaben auch zum Herunterladen ins Internet gestellt: www.forumf.de/politik (2010)

beim Vortrag 'Politische Partizipation von Frauen', 2010

beim Vortrag ‚Politische Partizipation von Frauen‘, 2010

Was machen Frauen in und mit der Politik?

… lautet die Überschrift zu diesem Teil des Workshops.
Dazu ist zunächst einmal die Frage zu beantworten:

Was ist Politik?
Wie Sie schon gehört haben, war eines meiner Fächer sowohl ihm Rahmen meines Magister- als auch meines Promotionsstudiums Geschichte. Und Geschichte ist – wie Sie alle auch aus Ihrer Schulzeit wissen – vorrangig Politikgeschichte.
Und was für Politik wird in der Geschichte vor allem nachgezeichnet:
die Entwicklungen und Auswirkungen politischer Herrschaft in unterschiedlichen Staatsformen.

Welche Staatsformen kommen vor?
Ganz zu Beginn unserer Geschichte, noch vor Einsetzen der Geschichtsschreibung und damit auch außerhalb des Bewusstseins institutioneller Geschichtsforschung und -vermittlung:

  • Die Theakratie mit Priesterköniginnen in den Frühphasen der uns bekannten, vor-antiken Hochkulturen.[1]

Dann, uns vom Märchen bis in die Gegenwart vertraut:

  • Die Monarchie, z.T. auch von Gottes Gnaden

Und – in Deutschland einst bis zur perfiden Perfektion betrieben, aber auch heute noch Ursache von politischer Verfolgung und Flucht:

  • Die Diktatur, als unverblümte Militärdiktatur oder auf unterschiedliche Weise ideologisch verbrämt

Last, but not least, die zur Zeit als Allheilmittel weltweit angepriesene, sicherlich nicht perfekte und auch nicht überall von jetzt auf gleich einführbare Staatsform, die aber doch noch die beste ist, die Menschen bisher ausprobiert haben:

  • Die Demokratie. Sie legt die Herrschaft durch Wahlen und Abstimmungen in die Hände des Staatsvolkes.

Da erhebt sich für uns unmittelbar die Frage:

Wer oder was ist das: Demos – das Staatsvolk?
Das Staatsvolk ist nicht die Bevölkerung. Bürgerinnen und Bürger sind nicht Einwohnerinnen und Einwohner. Sie sehen schon, worauf ich hinaus will:
Bürgerinnen und Bürger haben Bürgerrechte, davon besonders das aktive und passive Wahlrecht. Dass heißt, sie können Leute wählen, die sie im Parlament vertreten, und sich selbst als Vertreterin oder Vertreter des Volkes in ein Parlament / eine Volksvertretung wählen lassen.

Jeder Staat definiert für sich, wer die vollen Bürgerrechte erhält, ob wir immer damit einverstanden sind oder nicht. Schon im alten Rom wurde sehr genau zwischen Alteingesessenen und Zugezogenen unterschieden. Alteingesessene erhielten die Bürgerrechte, wenn sie zu Männern wurden, den Zugezogenen konnten diese Rechte nur auf Grund von besonderen Leistungen verliehen werden.

Und – Sie haben es schon gehört:
natürlich waren die Bürgerrechte bis weit in unsere Zeit hinein den Männern vorbehalten. Wenn wir nach dem Wahlrecht sehen – als hier besonders interessantem Bestandteil der Bürgerrechte –, reicht die Spanne bei der Einführung des Frauenwahlrechts
von der britischen Kronkolonie Pitcairn, einer Insel im Südpazifik, 1838,
über 1919 in Deutschland
bis 2005 in Kuweit.[2]

Frauen in der parlamentarischen und Parteipolitik

Da wundert es uns doch nicht, dass in den 3- bis 4tausend Jahren, die zwischen den anfänglichen matrizentrischen Staatsformen und unseren heutigen Gesellschaften liegen, uns Frauen die Selbstverständlichkeit verloren gegangen ist, mit der wir als Teil des Staatsvolkes eigentlich unsere Rechte wahrnehmen sollten! Dazu mal ein paar Zahlen:

  • „Politik ist Männersache“, das meinten 1992 noch 34 % der Deutschen.
  • 2002 waren im Deutschen Bundestag 32,2 % Frauen, heute sind es 32,1 %,
    in der DDR-Volkskammer waren es 1990 übrigens 32,2 %.
  • 6 von 16 Kabinettsmitgliedern sind aktuell Frauen (37,5%).
  • Im Kölner Stadtrat sind zur Zeit 38 % Frauen, in den Bezirksvertretungen im Durchschnitt 30 %, von einem Minimum in Chorweiler mit 21 % bis zu einem Maximum in der Innenstadt und in Lindenthal mit 42%.
  • Die Wahlbeteiligung liegt bei Männern und Frauen etwa gleichauf.
  • 7,4 % der Männer und 3,7 % der Frauen sind Mitglied in einer politischen Partei.
  • Von den 1,6 Millionen Parteimitgliedern in Deutschland sind nur knapp 30 % weiblich.
  • Doppelt so viele Männer wie Frauen haben schon einmal aktiv in einer Partei mit gearbeitet.
  • Für die Besetzung von Parteigremien haben einige Parteien eine Frauenquote eingerichtet, die von 33 % bis 50 % reicht.

Diese Zahlen stammen, sofern es keine eigenen Zählungen sind, aus dem 1. Datenreport zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesrepublik Deutschland von 2005. Er steht frei im Internet zur Verfügung und weist noch viele weitere spannende Zahlen auf![3]

Für uns ist jetzt aber mehr als klar: es hapert noch gewaltig an der politischen Partizipation von Frauen in den Institutionen unserer parlamentarischen Demokratie. Wie sollte es auch anders sein? Schließlich wurden all diese Einrichtungen von Männern für Männer geschaffen und auf ihre ureigensten Bedürfnisse abgestimmt.

Dass wir uns überhaupt als Frauen schon so weit in die Parteien, Parlamente und Regierungen vorgearbeitet haben, ist auch nicht etwas, was uns freiwillig gegeben wurde. Es musste von Frauen über mehrere Generationen hart erkämpft werden und dieser Kampf ist auch heute noch nicht vorbei, denn erstens sind wir von einer Parität noch meilenweit entfernt und zweitens gibt es immer wieder auch Rückschritte, in denen einmal erreichte Erfolge wieder zu Nichte gemacht werden.

Das bringt uns zum Gegenstück zur Parteipolitik, der außerparlamentarischen politischen Arbeit.

Möglichkeiten der politischen Einflussnahme außerhalb von Parteien und Parlamenten

Wenn wir uns in der Geschichte umsehen, gehen alle politischen Neuerungen auf Vordenker und Vordenkerinnen zurück,
Meinungsführerinnen und Meinungsführer,
geistige Strömungen und gesellschaftliche Entwicklungen,
ganz abgesehen von offenem Druck auf der Straße und von Revolutionen.

Die Regierenden, ganz gleich in welcher Staatsform reagieren, auf den öffentlichen Druck, auch wenn es manchmal endlos langsam zu gehen scheint.

Wie bei den Errungenschaften der Frauenbewegungen. Hier sollen nur einige Eckdaten gezeigt werden:

1789-1793: Im Zuge der Französischen Revolution bilden sich erste Frauenclubs. Sie fordern volle Bürgerrechte für Frauen, die Gleichstellung von Mann und Frau und das Frauenstimmrecht.

1908: Das neue Reichsvereinsgesetz lässt Frauen in Deutschland zu politischen Vereinen zu.

1918: Frauen erhalten das aktive und passive Wahlrecht, verankert in Artikel 109 Absatz 2 der Weimarer Verfassung: „Männer und Frauen haben grundsätzlich dieselben Rechte und Pflichten“.

1949: Grundgesetz, Artikel 3, Absatz 2: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“

1966: Bundes Enquete-Kommission legt „Bericht über die Situation von Frauen in der Bundesrepublik“ vor.

1968: Im Kontext der 1968er-Bewegung entsteht die zweite Frauenbewegung. Slogan: „Das Private ist politisch!“. Eine der zentralen Forderungen: Abschaffung des § 218 Strafgesetzbuch, der Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe stellt.

1974: Reform des Strafrechts: Der Schwangerschaftsabbruch in den ersten zwölf Wochen wird straffrei, wenn vorher eine Beratung stattgefunden hat.

1975: Internationales Jahr der Frau
und Erste Weltfrauenkonferenz in Mexiko
und NRW führt als erstes Bundesland das Amt der Landesfrauenbeauftragten ein.

1982: Die bundesweit erste kommunale Gleichstellungsbeauftragte wird in Köln benannt.

1989: Das Frauenförderungsgesetz für den Öffentlichen Dienst in NRW tritt in Kraft.

1994: Das Gleichberechtigungsgebot in Artikel 3 Absatz 2 Grundgesetz wird ergänzt: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“

1995: Die 4. Weltfrauenkonferenz in Peking verabschiedet Gender Mainstreaming als neue politische Strategie.

1996: Der Amsterdamer Vertrag der EU verpflichtet alle Staaten, Gender Mainstreaming in ihrer Politik anzuwenden.

1997: Inkrafttreten des neu gefassten § 177 Strafgesetzbuch, wonach Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe gestellt wird.

2002: Die Bundesregierung veröffentlicht den Bericht zur Entgeltgleichheit und zur ökonomischen Situation von Frauen.

2005: Die Bundesregierung veröffentlicht den ersten Gender-Datenreport zur Gleichstellung von Frauen und Männern über alle Lebensbereiche.[4]

Dafür sind Frauen auf die Straße gegangen, haben sich innerhalb und außerhalb der Institutionen die Finger wund geschrieben und den Mund fusselig geredet. Und das tun sie auch heute noch.

Sie schließen sich in Vereinen und Verbänden zusammen,

gründen Frauenhilfs- und Beratungseinrichtungen und suchen über ihre Kreise hinaus Verbündete für größere Kampagnen wie z.B.

  • den Internationalen Frauentag (8. März, seit ca. 100 Jahren, seit 1977 Tag der Vereinten Nationen für die Rechte der Frau und den Weltfrieden)
  • den Girls’Day (4. Donnerstag im April, für mehr Chancen von Mädchen und Frauen in Männerberufen, in Deutschland seit 2001, in den USA seit 1993),
  • den Equal Pay Day für die Abschaffung des Einkommensgefälles zwischen Frauen und Männern, (Tag im Jahr bis zu dem Frauen arbeiten müssen, um dasselbe Einkommen zu erzielen, das Männer bereits am 31. Dezember des Vorjahres erreicht haben, dieses Jahr: 26. März, in Deutschland seit 2008, in den USA seit der Jahrtausendwende)
  • den Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen (25. November, seit 1981, seit 1999 Internationale Tag der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Gewalt ge-gen Frauen)

Die Frauen haben heute also zahlreiche Möglichkeiten sich politisch zu betätigen, und dabei muss es auch nicht nur um Frauenpolitik gehen.

Das beginnt schon im Elternbeirat des Kindergartens, in der Schulpflegschaft, beim Engagement in der Kirchengemeinde, in einem Interkulturellen Zentrum, in der Gewerkschaft, in einer BürgerInneninitiative, u.v.m.

Es gibt aber auch Möglichkeiten, sich direkt in die Kölner Ratspolitik einzumischen, durch

  • den Integrationsrat (früher Ausländerbeirat)
  • die Senior(Inn)envertretung auf Bezirks- und Stadtebene
  • über den Ausschuss für Anregungen und Beschwerden (Beschwerdeausschuss) im Rat der Stadt Köln,
  • Bürger(innen)begehren und Bürger(Innen)entscheid,
  • Einwohner(Innen)antrag, Bürger(Innen)antrag
  • und Bürger(Innen)haushalt.[5]

Außerdem gibt es zahlreiche Frauenorganisationen, die so unterschiedlich sind wie die Frauen selbst. In Köln sind viele von diesen Vereinen und Verbänden ganz leicht zu finden auf dem Kölner Informationsportal für Frauen www.frauenportal.koeln, das ständig noch weiter ausgebaut wird.

Viele tolle Bilder bietet auch der brandneue Bildband mit Fotoreportagen von „Frauengesellschaften“ unterschiedlicher Art von der Kölner Fotografin Eva Hehemann. Darin ist übrigens auch ein spannendes Interview mit Maristella Angioni enthalten.[6]

Allerdings:

  • Es gibt sehr viel mehr männlich geprägte Vereine und Institutionen in Deutschland als weibliche.
  • Immer noch haben Frauen eine größere Distanz gegenüber Politik und Ehrenamt als Männer. Dazu sagt der Gender-Datenreport:

„Ursachen […] sind
einerseits in den männlich geprägten Themenschwerpunkten, Hierarchien und Kulturen von vielen Großorganisationen und Vereinen zu sehen.
Andererseits beeinträchtigt auch die Arbeitsteilung in der Familie die zeitlichen Spiel-räume für Frauen, sich gesellschaftlich oder politisch in einem größeren zeitlichen Umfang zu engagieren.
Zudem ist die Aussicht auf ein politisches Mandat meist auch von männlich dominierten Netzwerken abhängig.“ [7]

Lassen wir uns daher nicht entmutigen und führen tapfer die Arbeit unserer Vorausgängerinnen fort.

Politik braucht immer beide Seiten:

Diejenigen, die etwas wollen, und diejenigen, die die Gesetze ändern können. Beides darf keine Männerdomäne und auch nicht männlich dominiert sein. Denn ohne den weiblichen Blick für Nachhaltigkeit und Solidarität führen Status- und Wettbewerbsdenken schnell zu Testosteron-gesteuerten Höhenflügen ohne Rücksicht auf Verluste. Einstürzende Häuser, verzockte Billionen, Raubbau an der Schöpfung, strukturelle und physische Gewalt bis hin zur globalen Klimakatastrophe können die Folgen sein.

Es geht also nicht nur um Geschlechtergerechtigkeit, es ist auch unsere Pflicht als ebenso kompetente Wesen, unsere Bildungserfolge zeigen es ja all zu deutlich, sich einzumischen und nicht den Männern das Feld allein zu überlassen.

Sobald unser Anteil an der Macht eine kritische Masse erreicht hat, kommen auch diejenigen unter den Männern zum Zuge, die von je her ebenfalls verantwortungsbewusst und solidarisch gedacht und gehandelt haben, denn diese Männer gibt es auch und mit diesen Männern müssen wir uns verbünden!

Daher nun meine beiden Fragen an Sie für die Arbeit in den Kleingruppen:
1. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit Frauen Zeit und Kraft der parlamentarischen oder außerparlamentarischen Politik widmen können?
2. Wie muss Politik in Institutionen, Vereinen, Parteien und Parlamenten von statten gehen, damit auch Frauen sich dort wohl fühlen?

beim Vortrag 'Politische Partizipation von Frauen', 2012

beim Vortrag ‚Politische Partizipation von Frauen‘, 2012

Am 27.10.2012 wurde eine kürzere Fassung des Vortrags beim Herbsttreffen des Arbeitskreises Kölner Frauenvereinigungen (AKF) gehalten, erweitert um den Aspekt ‚Das Internet als Chance‘.

Download der Vortragsfolien von 2012:
www.forumf.de/frauen+politik (2012)

  1. [1]Carola Meier-Seethaler: Ursprünge und Befreiungen. Zürich 1988
  2. [2]de.wikipedia.org/wiki/Frauenwahlrecht
  3. [3]Gender-Datenreport. 1. Datenreport zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesrepublik Deutschland, München 2005, 2. Fassung. Erstellt durch das Dt. Jugendinstitut e.V. in Zusammenarbeit mit dem Statistischen Bundesamt unter der Leitung von Waltraud Cornelißen, Internet: www.bmfsf.de
  4. [4]www.meinhard.privat.t-online.de/frauen/chronik.html
    sowie: Frauen in Deutschland. Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend. Ausgabe 2004, S. 221ff
    sowie: Zeitgenossinnen. Frauengeschichte(n) aus Nordrhein-Westfalen. Ministerium für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit des Landes Nordrhein-Westfalen. 3. aktualisierte Auflage, Düsseldorf 1999
  5. [5]www.stadt-koeln.de/1/wahlen/integrationsrat/2010/
    sowie: www.stadt-koeln.de/1/wahlen/seniorenvertretung/
    und: www.stadt-koeln.de/1/mitwirkung/
  6. [6]Eva Hehemann: Frauengesellschaft(en) in Deutschland – von der privaten Feier bis zum Berufsverband. Berlin 2010, Internet: www.hehemann-fotografie.de
  7. [7]Gender-Datenreport, a.a.O., S. 358